Obwohl CFOs bei Lean Veranstaltungen so selten anzutreffen sind, wie Schnee im Juli, gibt es mehr und mehr Artikel und Vorträge betreffend Lean Accounting. Ein Grund dafür ist, dass Lean-Experten den Bedarf für eine ganzheitliche Prozessanpassung erkennen und sich dadurch auch mit den Finanzprozessen auseinandersetzten. Mit „Lean Accounting“ versucht man die Lean Prinzipien von EKUV (Eliminierung, Kombination, Umstellung/Reduktion, Vereinfachung) und die Chancen der Digitalisierung, bei den Accounting Prozessen umzusetzen. Zum Beispiel um die Durchlaufzeit des Monatsabschlusses durch eine Wertstromanalyse zu verkürzen, oder die Anzahl Finanzberichte zu minimieren. Diese Aktivitäten sind wertvoll, lösen aber die Konflikte zwischen der Lean Philosophie und der traditionellen Betriebswirtschaft nicht. Im Gegenteil: „Accounting für Lean“ versucht die Hindernisse in der traditionellen Buchhaltung zu beseitigen, damit unternehmensweite Leanprozesse in Accounting-Reports korrekt sichtbar werden.
In der Lean Philosophie sind Bestände eine Verschwendungsart und der Fokus ist klar auf die Reduktion oder noch besser die Elimination von Beständen gelegt. Die schlimmste Verschwendungsart ist die Überproduktion. Ein Unternehmen sollte nur produzieren was der Kunde braucht. Zu viel produzierte Güter bringen keine Wertschöpfung und ebenfalls keinen Vermögenszuwachs.
Bei immer kürzeren Produktlebenszyklen und steigenden kundenspezifischen Anforderungen ist es zunehmend unsicher ob Bestände aufgebraucht und verkauft werden können. Bestände verursachen Kosten durch Lagerung, Handling, Administration, Beschädigung, gebundenes Kapital und Obsoleszenz. Die Institute von „Purchasing und Supply“ schätzen, dass die Kosten für Bestände zwischen 25% und 40% des Lagerwerts pro Jahr liegen.
In der Realität sind Bestände selten Aktivvermögen, obwohl in der Finanzbuchhaltung diese so klassifiziert werden müssen. In der Betriebsbuchhaltung hat ein Unternehmen jedoch die Freiheit, Bestände anders zu klassifizieren, um eine Bestandesreduktion zu fördern.
Mit einer Plankostenberechnung lagert man die Gemeinkosten (Marketing und Verkauf, IT, Abschreibungen, Verwaltung, Strom, Mietkosten usw.) auf Produkte um.
Wie bereits in meinem Lean Enterprise Blogartikel erwähnt, machen die direkten Produktionslohnkosten in Westeuropa typischerweise zwischen 7%-10% des Verkaufspreises eines Produkts aus. Dieser Anteil ist meistens viel kleiner als die belasteten Gemeinkosten. Eine Plankostenberechnung kann zu falschen Entscheidungen betreffend „Make or Buy“ führen. Ebenso besteht die Gefahr, Standartprodukte durch die Gemeinkostenumlage unfair zu verteuern, obschon diese wenig Gemeinkosten verursachen. Im Gegenzug werden dann Sonderprodukte rentabler dargestellt, welche hohe Gemeinkosten verursachen. Häufig ist es viel sinnvoller eine Teilkostenrechnung zu führen, hierbei insbesondere auf die Deckungsbeiträge nach den direkten Kosten zu fokussieren und als wichtiges „Lean“-Element die ZEIT zu berücksichtigen. Diesen „Mind-Change“ ist bei den wenigsten Produktionscontroller vollzogen.
Sobald ein Lean-Manager etwas bei der Buchhaltung ändern will, hört man folgende Ausrede: „das geht nicht wegen dem Gesetz.“ Für die Finanzbuchhaltung mag diese Aussage weitgehend stimmen, doch in der Betriebsbuchhaltung sind Unternehmen frei in der Ausgestaltung. Mit „Accounting for Lean“ versucht man in ersten Linien die Betriebsbuchhaltung nicht die Finanzbuchhaltung anzupassen. Fachspezialisten wir Jean Cunningham und Joyce Warnacut sind richtig wenn sie sagen, dass Gemeinkosten unabhängig von den Bestandkosten nach GAAP kalkuliert und umgelegt werden können. Es gibt keine Gesetze für die Betriebsbuchhaltung, welche das interne Management bei der Führung des Unternehmens einschränkt.
Langfristig sind alle Kosten variable, aber wie John Maynard Keynes sagt „langfristig sind wir alle Tod“. In Westeuropa sind Direktlohnkosten kurzfristig feste Kosten, fast alle Mitarbeiter haben eine Kündigungsfrist und überall hört man, dass es immer schwieriger sei, gute Mitarbeiter zu finden. Daraus ergibt sich für das Lean Management Accounting einen Bedarf der detaillierten Lohnkostenanalyse. Doch vor der Lohnanalyse muss wiederum der Faktor ZEIT betrachtet werden.
Das Einzige was immer stimmt bei einem Forecast, ist das er falsch ist. Die tagelangen Abschätzungen von allerlei Umsatz- und Kostenfaktoren, gefolgt von mehreren Runden Verhandlungen, bei welchen meist Ausgaben gekürzt werden, all das hat nichts mit Lean zu tun. In vielen Organisationen hat der Budget-Prozess Ähnlichkeiten mit einem Spiel, wo man jedes Jahr ein bisschen Mehr verlangt mit der Sicherheit, dass man nicht alles bekommt. Diese Verschwendung von Zeit ist ökonomisch betrachtet aber auch bezüglich Mitarbeitermotivation schlimm. Noch schlimmer ist, wenn Plankosten als Basis für die Berechnung von z.B. Maschinenkosten herangezogen werden, denn dann wird die Kostentransparenz endgültig zur Farce.
Ziel des Shopfloor Management (SFM) ist es, die Ergebnisse, welche die Teilnehmer selber beeinflussen können, zu visualisieren. Abweichungen werden schnell erkannt und entsprechende Massnahmen schnell ergriffen.
Wollte man dieses Ziel mit einem traditionellen Kostenstellenbericht erreichen, gäbe es sehr schlechte Noten. Die Berichte sind nicht zeitnah, typischerweise 10 Tage nach Monatsende und enthalten Information, welche man kaum versteht und schwer beeinflussen kann. Zum Beispiel die Gemeinkosten-Absorption-Varianz. Um solche Berichte zu erstellen, werden zahlreiche Buchungen benötigt, welche kein Mehrwert generieren.
In Lean konzentriert man auf Wertströme, nicht Kostenstellen oder Abteilungen. Statt Kostenstellenberichte braucht man Wertstromerfolgsrechnungen, welche mit einer hohen Frequenz (typisch: wöchentlich) verständliche Information liefern. Der Fokus bei der Wertstromerfolgsrechnung ist das Bruttoergebnis, welches eine sehr einfache Darstellung erlaubt.
Die Transformationskosten sind aus den Lohnkosten aller beteiligten Funktionen (z.B. Produktion, Montage, Qualität, Führung, Konstruktion, Administration usw.) sowie den benötigten externen Diensten zusammengesetzt. Gemeinkosten und Abschreibungen, welche die Beteiligten nicht beeinflussen können, sind nicht betrachtet.
Das Grundprinzip der Buchhaltung ist natürlich einen Geldwert auf alle Unternehmenswerte zu bestimmen. Die Kosten von Anlagevermögen über mehreren Jahren zu verteilen ist sinnvoll, aber wie bei den Beständen können die resultierenden Werte völlig falsch sein und haben keine Verbindung zu aktuellen Marktpreisen. In der Lean-Betriebsbuchhaltung sind Abschreibungen verfallene Kosten. Ob eine Maschine (Anlagevermögen) aber tatsächlich eingesetzt wird oder nicht, ändert am Deckungsbeitrag gar nichts.
Abschreibung in die Plankosten und somit Maschinenkosten einzurechnen, fördert Überproduktion, da je mehr Stück eine Maschine herstellt, umso weniger Fixkosten pro Stück werden belastet. Der Einsatz von veralteten Mittel (z.B. abgeschriebene Maschine) wird begünstigt, da die Plankosten und somit Fixkostenumlage tiefer ausfällt. Es entsteht ein Investitionsstau.
Als Lean Berater versucht Wertfabrik seinen Kunden die Problematik zwischen Lean und der traditionellen Buchhaltung darzustellen. Da viele Lean Beauftragte wenig Ahnung von Buchhaltung haben, hat Wertfabrik neu auch eine Buchhaltungssimulation im seinem Ausbildungsprogramm zum Senior Lean Manager integriert.
Mit verbesserten Erkenntnissen kann man zusammen mit der Finanz- und Controlling Abteilung neue Methoden entwickeln, wie z.B. der Wertstromerfolgsrechnungen, sodass die Buchhaltung Lean unterstützt und die echten Auswirkungen von Lean in der Betriebsbuchhaltung quantifiziert sind.
Zusätzliche nützliche Information zu diesem Thema befindet man unter:
https://www.linkedin.com/pulse/removing-standard-costing-from-decision-making-part-1-nick-katko/
https://www.linkedin.com/pulse/matching-principle-value-stream-income-statement-nick-katko/
http://www.leanfrontiers.com/wp-content/uploads/2018/03/Lean-Inventory-Valuation.pdf
https://www.youtube.com/watch?v=TxRQpw_L96s
https://www.ame.org/target/articles/2016/why-lean-accounting
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